Viele Waffen = wenig Verbrechen?

Gun Ownership - Homicides
Gun Ownership (legal and illegal guns) by Small Arms Survey, Yearbook 2007
Homicides by the U.N. office on Drugs and Crime (circa 2007)

Die ZEIT hat sich die Mühe gemacht, die registrierte Waffenbesitzdichte Deutschlands bildlich darzustellen und die Todesfälle mit registrierten Schusswaffen kenntlich zu machen.

Autor WOLF WIEDMANN-SCHMIDT: Bedenklich stimmt, dass es in Regionen, in denen es viele registrierte Waffen gibt, auch gehäuft zu Todesfällen durch diese zu kommen scheint. Dies wird auch durch eine gerade erschienene internationale Vergleichsstudie gestützt: mehr Waffen, mehr Tote.

Ich weiss ja nicht, welche „Kapazitäten“ der Autor interviewt hat. Mir liegt keine einzige Studie vor, die diese These stützt. Auch kann ich diese Relation nicht an seiner selbst erstellten Karte erkennen und auch nicht im weltweiten Vergleich zwischen Gun Ownership (Waffenbesitzdichte) und Homicides (Mordraten) – siehe Bild.

Laut seiner Recherche ist in Deutschland Amberg DIE Waffenhochburg (113 Waffen pro 1000 Einwohner) und im Landkreis Neustadt a.d. Aisch-Bad hat rechnerisch jeder 6. eine Waffe (163 Waffen pro 1000 Einwohner).

In Amberg gab es das letzte Mal vor 12 Jahren einen Missbrauch mit einer legalen Waffen. (siehe 1:00).
Die These „wo viele Waffen sind, passiert viel“, trifft für Amberg mit Sicherheit nicht zu. O-Ton vom Bayern 1 Radio

Polizei: Unterdurchschnittlich viele Straftaten: Die Zahl der Straftaten mit Schusswaffen im Landkreis Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim ist der Polizei zufolge trotz der hohen Waffenbesitzquote eher unterdurchschnittlich. Straftaten mit scharfem Schusswaffengebrauch, bei denen Menschen verletzt wurden, gab es im Landkreis in den letzten zwei Jahren nicht.

Berlin liegt laut der Recherchen der Zeit mit 13 Schusswaffen pro 1000 Einwohner auf dem letzten Platz. Ist Berlin deshalb sicherer als Amberg und Neustadt a.d. Aisch-Bad? Mitnichten. In Berlin gab es in den letzten Jahren pro Jahr rund 20.000 Gewalttaten, rund 1000 Straftaten mit Schusswaffen, davon 600 mit Gewalt. Jedes Jahr wurde in Berlin mit null oder zwei legalen Waffen ein Missbrauch verübt.

Mein Fazit: ob in der 3 Millionen Stadt Berlin oder im beschaulichen Amberg, ob 163 oder 13 legale Waffen pro 1000 Einwohner – in ganz Deutschland geht es einigermaßen friedlich zu. Mord- und Totschlag sind selten . Mord- und Totschlag mit Schusswaffen sind noch seltener. Mord- und Totschlag mit legalen Schusswaffen sind noch seltener als selten.

Waffenbesitzdichte und Mordrate haben, wenn überhaupt, eine negative Korrelation.

Der vormalige taz-Autor WOLF WIEDMANN-SCHMIDT kommt jedoch zu dem Schluss, dass 5,5 Millionen legale Waffen zu viel sind, da damit 27 Menschen ermordet wurden. Marc von der GRA hat sich die Mühe gemacht, diese 27 Opfer aufzudröseln: Jagdunfälle, Beziehungsdramen mit anschließenden Suziziden, Sterbehilfe und Doppelsuizide. All diese Opfer – ausser den Unfallopfern – wären auch zu Tode gekommen, wenn keine Waffe zur Hand gewesen wäre. Bei Beziehungsdramen stehen Täter und Opfer fest. Das Tatmittel ist zweitrangig. 

Nachtrag: auch Benedikt Krainz hat sich wieder Gedanken gemacht: Zeit(d)ung und nimmt die Sätze ins Visier.

Waffendichte vs. Gewaltdelikte
Waffendichte vs. Gewaltdelikte

Und Volker T. hat sich auch Gedanken über Waffendichte und Morde gemacht:

Gemäß der Hypothese sollte Bayern die höchste Anzahl Tote durch Gewaltdelikte verzeichnen. Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, werden aber in Berlin fast dreimal häufiger Tötungsdelikte registriert als in Bayern, das einen achtfach höheren Waffenbesitz ausweist. Im folgenden Bild ist dieser Sachverhalt noch einmal zur Verdeutlichung dargestellt. Die blauen Balken stellen die Waffendichte (Waffenbesitz pro 1000 Einwohner) dar. Die orangen Balken stellen die Häufigkeit der Mord- und Totschlagsdelikte auf 100.000 Einwohner bezogen dar.

Nachtrag 2: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, Straftaten mit Schusswaffen würden fast ausschließlich mit illegalen Waffen begangen. Im Freistaat seien bei weniger als zehn Fällen im Jahr legale Waffen im Spiel – insgesamt gebe es jährlich aber 1500 Straftaten mit Schusswaffen. Daher sei ein «unmittelbarer Zusammenhang zwischen legalem Schusswaffenbesitz und der Häufigkeit von Tötungsdelikten nicht ersichtlich»  (Oberpfalznet vom 16.01.14)

9 Gedanken zu “Viele Waffen = wenig Verbrechen?

  1. Die Balkengrafik ist rechts falsch beschriftet, es sind nicht 7 pro 1.000 sondern eher wie in der Grafik selber angegeben pro 100.000 Einwohner – sonst hätten wir hier ganz schöne Zustände!

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    • Bitte selber mal nachrechnen: die Grafik stimmt.

      5,5 Mio legale Waffen und 82 Mio. Einwohner = 67 pro 1000 Einwohner
      oder in Ambach: 5000 Schusswaffen auf 44.000 Einwohner = 113 pro 1000
      oder in Berlin: 55.0000 Schusswaffen auf 3 Mio. Einwohner= 18 pro 1000

      Aber schön, dass sogar die 100-fache reale Menge kein Grund zur Besorgnis ist!

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  2. Ich habe geschrieben rechts falsch beschriftet, nicht links falsch beschriftet.
    Lesen und Verstehen sind offensichtlich zwei Paar Schuhe um 23:51h…zumindest die verlinkte Seite hat es korrigiert, in deiner Minigrafik steht es noch falsch.

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  3. Weiterhin problematisch ist aber auch die Zahlenbasis der Autors, er stellt den lediglich 9 vollendeten Mord und Totschlägen im Bundesland Bremen z.B. alle 222 Delikte gegen das Leben (somit auch Versuche und tabellenbeschriftungswidrig fahrlässige Tötungen) in Berlin gegenüber, so dass die Grafik aufgrund der Vermischung keine objektive Vergleichsaussage treffen kann.

    Bei der Plausibilitätsprüfung hätte auffallen müssen, dass gerade Bremen ja nicht die positive Führungsrolle in der Delikthäufigkeit einnehmen kann.

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